Francisco Gil Moreno zog mit seiner Familie im Sommer 2008 von Hamburg nach Österreich, nach Wien. Im Gespräch erfuhr ich, dass Auswandern ganz leicht sein kann – sowohl vom Ablauf als auch, was die Wahl des Ziellandes angeht 🙂 Und es ist ein Nachruf auf eine Bundesrepublik, die Menschen keine andere Perspektive bietet als den Weg über die Grenze.
Was hat Sie in Deutschland am meisten gestört?
Eigentlich alles. Angefangen bei den Politikern bis hin zu den Menschen, die dort leben. Ich war fast acht Jahre im Sicherheitsbereich selbstständig, zu DM Zeiten ein sehr gutes Geschäft, jedoch nach der Euro Einführung ging es nur noch sehr schleppend voran und ich musste feststellen das ein Hartz IV Empfänger (Familie mit zwei Kindern) inklusive Kindergeld rund 1.800,00 Euro fürs Nichtstun vom Vater Staat erhält.
Also habe ich zum 30.11.2007 mein Gewerbe abgemeldet und endlich einmal Urlaub auf Staatskosten gemacht. Das Thema Auswandern fiel schon Mitte 2003.
Sie waren zur EM 2008 als Sicherheitsbeauftragter tätig. Haben Sie das Endspiel live sehen können?
Ja, ich konnte alle Spiele in Wien Live sehen und war auch hautnah an den Spielern und Trainern. Das Endspiel war für mich, ich glaube einer der besten Bewachungsaufträge, die ich je hatte und emotional war das Spiel für mich etwas sehr Besonderes da ich Halbspanier und Halbdeutscher bin.
Der schönste Moment vor Anpfiff bei diesem Spiel war für mich persönlich, dass ich dem spanischen König „Juan Carlos“ im Stadion nicht nur persönlich die Hand reichen konnte, sondern ihn auch auf seinen Ehrenplatz begleiten durfte. Das Spiel war eines der schwersten, da Freude und Trauer gleichermaßen auftraten, Spanien wurde Europameister und Deutschland leider nur Zweiter.
Ich konnte nach der Siegerehrung den spanischen Spielern und dem König Gratulationen aussprechen und auch nach dem Spiel waren wir noch einige Zeit zusammen. Das Schönste an diesem Spiel war jedoch, dass die Fans alle zusammen gefeiert haben. Das war ein berührender Anblick.
Warum sind Sie ausgewandert?
Ich glaube, zum auswandern braucht man nur einen Grund. Raus aus Deutschland und ein neues Leben beginnen, wo man Arbeit hat, nette Leute und auch in ein Land, was in Zukunft für dessen Bürger da ist. Der deutsche Staat hat sich lieber um Ausländer bzw. ums Ausland gekümmert als um das eigene Volk. Der wichtigste Grund, als wir beschlossen haben, Deutschland zu verlassen, war der Arbeitsmarkt.
Wie war Ihre Lebenssituation, als Sie ausgewandert sind?
Wie bereits geschildert, war ich fast 8 Jahre selbstständig im Sicherheitsgewerbe und war ab Ende 2007 Hartz IV Empfänger, da eine Selbstständigkeit laut Aussagen von den Behörden keine Arbeit wäre, sondern nur ein Hobby. Ich fühlte mich schlecht, was natürlich auf die Familie überging. Also kam der Entschluss, raus aus Deutschland.
Wie lange zog sich der Umzug nach Österreich hin?
Am 12. April 2008 flog ich nach Wien auf der Suche nach Arbeit. Ich muss dazu sagen, dass ein Landsmann meiner Frau in Wien wohnt und eine Unterkunft gegeben war. Am Tag nach der Landung habe ich mich bei einem Sicherheitsunternehmen vorgestellt, dieses war von meinen Fähigkeiten und Zeugnissen so begeistert, dass ich sofort einen Arbeitsvertrag bekommen habe. Rückflug 14. April 2008 und zu den Ämtern. Da ging der Ärger los, denn diese wollten den Umzug nicht zahlen.
Über unseren Anwalt wurde dann alles weitere in die Wege geleitet, ich fing am 1. Mai 2008 an zu arbeiten und meine Frau und die zwei Kinder kamen zum 15. Juli nach. Natürlich flog ich alle 14 Tage nach Hamburg, um meine Familie zu sehen.
Würden Sie es heute noch einmal wagen, wenn Sie wieder in der Situation damals wären?
Ja, auf jeden Fall. Nur dieses Mal würde ich es sofort machen!
Wann waren Sie das erste Mal in Österreich und wie war der erste Eindruck?
Das erste Mal bin ich nur durch Österreich mit dem Auto durchgefahren, als wir Urlaub in Bosnien gemacht hatten. Mir fiel damals die Freundlichkeit der Leute auf. Der Besuch am 12. April 2008 war mein erster Besuch, denn seit dem 28. April 2008 bin ich dort gemeldet.
Wie kamen Ihre Töchter (7 bzw. 12 Jahre) mit dem Umzug nach Wien zurecht?
Meine 12 Jährige habe ich nach Wien nachgeholt, sie freute sich über das Video- und Bildmaterial, was ich in den zwei Tagen gemacht hatte so sehr, dass sie sofort mit wollte. Meine Frau und die 7 Jährige mussten leider noch in Hamburg bleiben, die Wohnung musste gestrichen und der Umzug organisiert werden. Seit dem 15. Juli 2008 sind wir alle vereint und überglücklich hier.
Wer hat Sie beim Auswandern beraten?
Keiner. Wir haben uns über das Internet schlau gemacht. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass, wenn man sich etwas in den Kopf setzt, sollte man es umsetzten.
Wie sind die Reaktionen von Freunden und Bekannten aus Deutschland? Überwiegend Verständnis und Akzeptanz oder Kopfschütteln?
Freunde waren so eifersüchtig, dass diese versucht haben, uns Österreich auszureden, einige schlossen Wetten ab, dass wir innerhalb von 4 Wochen nach Hamburg zurück kehren. Nur mein mittlerer Bruder hat verstanden, warum ich ein neues Leben in Wien suche.
Was war euer größter Fehler?
Der größte Fehler beim Auswandern war, dass ich es nicht schon viel früher gemacht habe.
Wie kamt ihr überhaupt auf euer Zielland? Welche Kriterien spielten bei der Wahl eine Rolle?
Laaange Geschichte….. Es standen drei Länder zur Auswahl: Spanien, Österreich und die USA. Für diese Länder musste ich keine neue Sprache lernen. Auch meine Frau hat sich für Spanien sehr interessiert, da mein Vater dort lebt.
Leider konnten wir uns über das Ziel nach einigen Tagen immer noch nicht einig sein und haben dann drei Ü-Eier gekauft, nein, nicht wegen der Schokolade oder dem Spielzeug, wir wollten nur die gelben Verpackungen haben, wo das Spielzeug drinnen ist. Wir nahmen drei Stücke Papier mit den Aufschriften; E, AT, USA und mischten dies in einer Schale kräftig durch. Damit ich mir keine Vorwürfe anhören müsse, hat meine Frau das Land AT für Austria gezogen. So begann der erste Schritt Richtung auswandern. Richtig Kriterien haben wir eigentlich nicht gestellt.
Was halten Sie für die wichtigste Voraussetzung, wenn jemand aus Deutschland nach Österreich dauerhaft umzieht?
Dazu gehört Mut, einige kleinere Kontakte, etwas Startkapital und natürlich der Wille und sich von keinem anderen dieses ausreden lassen.
Danke für das Gespräch und alles Gute in der neuen Heimat!
Wie geht es weiter? Ende 2019 sprach ich erneut mit Francisco, wie es weiterging und wo er heute lebt, erfährst du hier: Meine Auswanderung nach Polen / Stettin.