Interkultureller Umgang: Training und Charakter

Riksha Taxi in Indien
Klein, schnell und wendig: Riksha Taxi in Indien

Interkulturelle Kontakte sind für Unternehmen unerlässlich auf dem Weltmarkt. Wer in einem anderen Land Geschäft machen will, hat mit den Menschen dieses Landes zu tun. Interkulturelle Fragen werden leider oft völlig falsch angegangen: Kompetenzen (Sozialtechniken) werden überschätzt, Charakter wird unterschätzt.

Vor Jahren schrieb mir ein Auswanderer, dass Indien ein Land für Pioniere sei. Vom Pioniergeist spricht niemand mehr, je entwickelter der indische Markt ist. Und ich denke, der Pionier ist eigentlich immer gefragt. Steve Jobs war einer, Alexander der Große auch, Alexander von Humboldt auch. Kompetenzen kann man trainieren, Sozialtechniken sind eben Techniken und nicht mehr. Das ist berechtigt, und da sie operabel sind – warum sollte jemand nicht trainieren, was trainiert und verbessert werden kann? Es spricht ja nichts dagegen. Nur werden die Kompetenzen, die man trainieren kann, oft viel zu hoch gehängt.

1. Fehler: Techniken werden zu hoch gehängt

Wo der Umgang mit andern Menschen (Geschäftspartnern, Angestellten oder werauchimmer) nur als Kompetenzfrage behandelt wird, da bleibt das Wichtigste außen vor. Langfristig überzeugen kann man nur mit Charakter, nicht allein mit Kompetenz. Das, was jemand lernt, ist Kompetenz. Das, was jemand ist, ist Charakter.

Oft wird etwas „Business-Knigge“ genannt, was präzise Verhaltensweise auflistet, wann wer was wie zu tun hat. Der alte Freiherr von Knigge würde sich auf dem Absatz umdrehen, wenn er wüsste, wofür sein Name missbraucht wird. Eher würde „Business-Pawlow“ passen, in Erinnerung an den großen Verhaltensforscher, die die Konditionierung erforschte (Reiz-Reaktions-Ketten). Pawlows Hund war der mit der Klingel und dem Fressnapf, Sie erinnern sich?

2. Fehler: Charakter wird ignoriert

Dieser Fehler ist mit dem ersten verwandt. Charakter ist das nicht in Trainings Formbare, er ist Wer jemand ist. Und da es entwickeltere und weniger entwickelte Charaktere gibt, gibt es Menschen, die ein verantwortlicher Personaler nicht auf Geschäftspartner loslässt, mit denen man in fünf Jahren noch gut stehen will. Äh, merken Sie es? Wir drehen uns im Kreis: Auch schon die Auswahl oder Abwahl des Expats durch den Personaler ist nämlich eine Charakterfrage. Wenn es schnell schnell gehen muss, wenn gerade Geld gespart werden muss, aber man keine Abstriche machen will (also sparen, ohne zu sparen), dann wird eben jemand rekrutiert, der ein schnelles interkulturelles Training abbekommt und los geht’s.´

Es gibt eine Hierarchie:

  1. Das Vermögen, mit sich zurecht zu kommen, sich selbst zu organisieren.
  2. Das Vermögen, gut mit anderen Menschen auszukommen.
  3. Das Vermögen, auf Fremde zuzugehen; Kontaktfreude, Verkaufen können, schnell eine Beziehung aufbauen.
  4. Der Umgang mit Menschen anderer Kultur (Sprache, Hautfarbe, Nationalität). Wird besonders beachtet bei Indien, China, Russland, Japan und anderen „exotischen“ Ländern.

Der Fehler interkultureller Schnellschüsse ist, nur den letzten Punkt zu beachten und die übergeordneten zu ignorieren.

Was immer wichtig ist

Kulturübergreifend wichtig sind: Takt und respektvoller Umgang, Selbstkontrolle, Trinkfestigkeit.

Vorbilder

Wo kann man sich anschauen, wie es besser geht? Hier will ich nicht von lernen oder kopieren reden. Es geht stattdessen darum, ein Ideal zu finden, wie man selbst werden will. Zwei Klassiker dazu:

„Die Wiege der Sonne“, Thriller von 1993 mit Jean Connery und Wesley Snipes aka Lieutenant Web Smith. Smith ist bei der Polizei für die Kontakte mit Ausländern zuständig. Er hat aber kaum Kontakt mit Japanern gehabt. Darum muss ihm Captain John Connor (Jean Connery) helfen, der mehrere Jahre in Japan verbrachte und die Gepflogenheiten der Japaner kennt.

„Kim“, das Kinderbuch von Rudyard Kipling. Kim ist ein in Indien aufwachsender englischer Waisenjunge, der sich vom Straßenkind zu einem gebildeten Teenager entwickelt. Er weiß sich überall zu bewegen, er ist aufmerksam, neugierig und (meist) vorsichtig. Er hat Freunde und die braucht er auch, denn er macht Fehler wie jeder andere auch. Manche würden sagen, so aufzuwachsen sei ein Makel. Andere versuchen, ein Leben wie das von Kim in ein Training einzudampfen. Geht natürlich nicht. Lesen Sie das Buch in der Übersetzung von Gisbert Haefs, es ist die beste, die es gibt. Das Buch wurde auch verfilmt, die Filme sind nichts gegen das Buch.

Das allgegenwärtige Risiko zu scheitern: expatriate failure

„Expatriate failure“ ist mittlerweile ein stehender Begriff. Der Ausdruck bedeutet übersetzt die ‚Expat Ausfallrate‘ und steht für die Tragik gescheiterter Auslandseinsätze. Es geht um die Angestellten, die vorzeitig in ihr Heimatland zurückkehren oder kündigen. So etwas ist kein Einzelfall! Eine Studie aus dem Jahr 2016 kam zu dem Ergebnis, dass der Prozentsatz der Expat Ausfälle 20 bis 40 Prozent betrage. Jeder Dritte also – das wäre enorm viel und würde meine Vermutung bestätigten, dass oft viel zu lax und technisch versucht wird, Menschen wie Module in eine andere Kultur zu versetzen.

Manche Personaler scheinen zu glauben, man kann den Kulturschock vermeiden mit einer Art Schutzimprägnierung. Aber es klappt nicht, denn Menschen sind keine Maschinen, der Lack hält nicht im anderen Klima.

Aktuelle Trends

Wenn beide Ehe-/ oder Beziehungspartner Karriere machen wollen in verschiedenen Firmen, spricht man heute von einer Mobilitätsbarriere. Ups! Doppelkarrierepaare hemmen die Auslandsarbeit und steigern zugleich die Unternehmenskosten im internationalen Geschäft: durch Rückgang der Bereitschaft zur Entsendung ins Ausland. Zugleich haben internationale Unternehmen kleinere Budgets für Expats, es ist eben nicht mehr der außergewöhnliche eine Einsatz, sondern Routine. Zugleich bemühen sie sich, die lokalen Gegebenheiten genauer zu berücksichtigen. Beides treibt die Kosten für den Arbeitgeber. Und es senkt die Attraktivität für Auslandsarbeit im Rahmen einer Entsendung. Stattdessen sind zwei neuere Trends:

1. Auslandseinsätze werden zeitlich verkürzt. Einige Monate oder ein Jahr. Solange bleibt die Familie, wo sie ist, die Partner leben und arbeiten also für die Zeit getrennt. 2. Und die Firmen heuern gern Freelancer an, die sich direkt in der Tochterfirma bewerben und somit dem Mutterunternehmen alle Transferkosten ersparen.

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