Auswandern nach Indien

Taxis in Mumbai
Taxis in Mumbai

Indien ist zum Auswandern ein exotisches Ziel. Für Expats ist ein zeitlich begrenzter Aufenthalt in Indien denkbar und kann persönlich und beruflich bereichern. Was ist dabei zu beachten? Ach, und immer wieder kommt die Frage: Was ist das moderne Indien für ein Land?

Steckbrief: Indien in Zahlen

DatenKommentar
Amtssprache: Hindi und Englischregional über 20 weitere Sprachen
Hauptstadt: Neu-Dehli25,7 Mio. Einwohner
Fläche: 3.287.263 km²
Einwohnerzahl: 1,27 Milliarden(2016)
Bevölkerungsdichte: 368 Einw. je km²(Deutschland: 230/km²)
BIP je Einwohner: 1.808 USDnominal, #141 weltweit
Human Development Index: 0,609#130 weltweit
Deutsche im Land: <1.000(hauptsächlich Expats, deren Zahl stark schwankt)

Eigentlich geht es hier um das Auswanderungsland Indien. Weil wir Indien hinter den vielen Klischees kaum noch sehen können, will ich erst einmal die Blickrichtung umdrehen und von den indischen Auswanderern sprechen. Ja genau: Auswanderer aus Indien. Indische IT-Spezialisten gehen oft als Expats für begrenzte Zeit ins Ausland.

Jahr 2000: Inder nach Deutschland!

Ach, erinnern Sie sich eigentlich an die indischen IT-ler, die die Regierung Schröder im Jahr 2000 nach Deutschland locken wollte? Tausende sollten zu uns kommen und Deutschland zur IT Weltspitze machen, dass Google und Apple blass aussehen. Gesetzesänderungen wurden beschlossen (erst die Greencard, dann die Bluecard), Visa-Formulare in Hindi gedruckt (dabei spricht ein Inder im Ausland mindestens Englisch), staatlich geprüfte Drei-Sterne-Reisköche standen in Großküchen bereit. Alles war fertig, die IT Revolution konnte kommen. Ich glaube, 2.300 Inder sind damals in die Bundesrepublik gekommen. Die deutsche Regierung hatte Deutschland maßlos über- und Indien unterschätzt. Als die Zeit der Gastarbeiter um war, machten sie sich selbstständig oder sind wieder in die Heimat gegangen, nach Indien. Die geblieben sind, sollen zum großen Teil in der Gastronomie tätig sein.

Jahr 2012: Indische ITler bleiben in Indien

Nach 12 Jahren versuchte die deutsche Regierung immer noch, Programmierer aus Indien nach Deutschland zu locken. Die Anreize waren die gleichen wie zuvor – und sie bewirkten natürlich das Gleiche wie damals. Wer hätte das gedacht. Knapp zehn Prozent aller indischen Programmierer, die ins Ausland gehen, zog es nach Deutschland. „Indische Unternehmen zahlen ihren Mitarbeitern für solch einen Auslandsaufenthalt eine ‚Buschzulage'“, schrieb der „Spiegel“.

Indische IT-Spezialisten verlassen ihr Land für begrenzte Zeit und mit bestimmten Zielen. Sie sammeln Auslandserfahrung und bauen Kundenkontakte auf, „die sie später in ein indisches Unternehmen einbringen wollen. Praktisch jedes der führenden Software-Unternehmen in Indien hat mindestens einen Heimkehrer in der Geschäftsleitung, meist mit Erfahrung in den USA.“(Spiegel, 11.05.2012)

Indien ist ein Global Player geworden

Indien Karte
Karte von Indien

Arbeitsmigration spielt für Indien eine große Rolle. Überwiegend gehen Inder ins Ausland. Wer aus Europa nach Indien geht, tut das überwiegend auch als Expat für begrenzte Zeit. Allerdings ist aus deutscher Sicht China noch der interessantere Markt. Deutsche Unternehmen entsenden ihre Mitarbeiter viel häufiger ins Reich der Mitte, als nach Indien. Allerdings ist Deutschland Indiens wichtigster Handelspartner in der EU.

Indien aus deutscher Sicht

Indien ist für Deutsche kein Auswanderungsland im üblichen Sinn und wird es auch nicht werden. Wahrscheinlich ist es eines der für Europäer am schwierigsten zu begreifenden Länder überhaupt. Die für Deutsche exotische Kultur reizt als Reiseziel – und macht es zugleich so schwer, sich dort dauerhaft niederzulassen. Die Expats, die heute auf Arbeitssuche um die ganze Welt ziehen, nehmen es meist gelassen, indem sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Eine Arbeit, eine Unterkunft, den Rest lernt man auszublenden. Wer jedoch eine Managementposition übernimmt, kann sich nicht auf eine Sache beschränken, dennn er hat es mit Menschen zu tun – meist mit Indern. Schauen wir uns also diesen „Rest“ einmal genauer an: Was ist es, das dieses Land so fremd macht? Da ist

  • die schiere Größe des Landes, Indien ist das siebtgrößte Land der Erde
  • die Bevölkerung, denn Indien ist mit 1,266 Milliarden Einwohnern das zweite Land (nach China). In Indien leben mehr als doppelt so viele Menschen wie in allen Ländern der Europäischen Union.
  • Die allgegenwärtige Korruption. Bakschish bedeutet hierzulande Schmiergeld, in Indien heißt es Geschenk. Man beschleunigt damit Vorgänge und dankt für Gefallen.
  • Die völlig andere Kultur.
  • Dutzende unterschiedlicher Sprachen. Es gibt 21 regionale Sprachen, das ist fast so viel wie die Amtssprachen der EU.
  • Der Einfluss der Religionen im täglichen Leben ist sehr stark. Religion ist dort nicht das, was hier im Buchladen unter Esoterik als indische Weisheit angeboten wird. Indische Auswanderer haben z.B. Yoga deshalb in den Westen exportiert, weil die Inder damit nichts anzufangen wussten.

Dieser „Rest“ ist es, der dem Expat sehr zu schaffen machen kann.

Was für Indien spricht

Was ist positiv an Indien? Indien ist ein Drittweltland in der Größe eines Kontinents. Man findet die unterschiedlichsten Klimate und Landschaften. Es gibt Berge wie in der Schweiz, weite Ebenen mit 300 Sonnentagen im Jahr, milde Winter und heiße und trockene Sommer. Indien bietet wunderschöne Strände, Regenwälder und verfügt über eine Jahrtausende alte Kultur.

Die Grundeinstellung der Bevölkerung ist durchweg positiv. Das Land befindet sind im Aufbruch, am Beginn eines Wirtschaftswunders. Die Menschen sind optimistisch und lebensfroh, erstaunlicherweise gerade auch die Ärmeren.

Die Lebenhaltungskosten sind günstiger als in Deutschland. Importierte Waren und Luxusartikel sind hingegen in der Regel teurer als in Deutschland. In den Metropolen wie Mumbai oder Delhi ist das Leben teuer, alleine schon wegen der extrem hohen Mieten. In der Provinz hingegen lebt es sich günstig.

Die Zeit, die Sie in Indien verbringen, kann Sie persönlich bereichern. Das zeigt sich zum Beispiel darin:

  • Sie verbessern Ihre Englischkenntnisse.
  • Sie entwickeln Ihre Soft Skills.
  • Ein Wortungetüm wie ‚Interkulturelle Kompetenz‚ klingt furchtbar, aber Sie werden sie gesteigert haben.
  • In Deutschland gilt das Vermögen, mit Menschen anderer Kultur/ Nationalität umgehen zu können, als Mangelware. Der Bedarf wächst stetig in der globalisierten Welt.
  • Sie sind sehr wahrscheinlich toleranter geworden.

Tipps für Expats in Indien

Auch deutsche Unternehmen gehen in den indischen Markt, wie SAP, DaimlerChrysler, die Deutsche Bank, Siemens. So besteht für Deutsche auch die Chance, sich bei deutschen Firmen auf eigene Faust nach Arbeit in Indien zu erkundigen. Die AHK führt eine umfangreiche Firmenliste mit Ansprechpartnern. Sofern Sie den Arbeitgeber haben, der Sie nach Indien bringt, kann man es kurz machen: Bei einer Entsendung übernimmt Ihr Arbeitgeber alles Organisatorische.

Arbeitskraft ist in Indien sehr billig – weil oft wenig qualifiziert. Wenn Ausländer es sich leisten können, sollten sie im Hause Bedienstete beschäftigen, z.B. als Koch, Gärtner, Security sowie Fahrer. Obwohl die Kriminalität niedrig ist, bieten Angestellte zusätzlichen Schutz.

Man muss in Indien mehr auf Sauberkeit und Hygiene achten als in Europa. Wasser sollte gefiltert werden, oder man bekommt es in 20 Liter Ballons geliefert. Obst und Gemüse immer waschen, wie in Deutschland auch.

Der Expat sollte immer aufpassen, wenn er eine Vorstellung über ‚den Inder‘ bildet. Der Inder ist ein Klischee. Damit kommen Nichtinder nicht weit. Lassen Sie die Frage, was ‚typisch indisch‘ ist, vor allem wenn es um Herkunft, Umgangsformen, Religion und ums Essen geht. Indien hat mehr als eine Milliarde Menschen. Einen Durchschnittstypus finden Sie nicht in zwei Jahren heraus. Was Sie tun können, ist: immer den konkreten Einzelfall bzw. konkrete einzelne Menschen erfassen.“

  1. Lernen und behalten Sie alles über Ihre indischen Kollegen und Nachbarn.
  2. Bereiten Sie sich vor Besuchen auf den jeweiligen Landesteil vor.

Wohnen in Indien

Die Mieten sind moderat. Miete ist einem Kauf vorzuziehen. So bleiben Sie außerdem mobil, wenn sich Ihr Arbeitsort innerhalb Indiens ändert. Immobilienkauf ist generell in Asien riskant, Indien ist hier keine Ausnahme. Es gibt in Indien praktisch keine Städteplanung. Es kann also passieren, dass ein Nachbar plötzlich eine Werkstatt eröffnet, mitten in einem Wohngebiet, auch wenn es als solches gekennzeichnet ist.

Essen in Indien

Speisen und Getränke sind sehr gewöhnungsbedürftig, Inder haben eine völlig andere Koch- und Esskultur als Mitteleuropäer. Seien Sie vorsichtig beim Restaurantbesuch, in den Küchen gibt es keine verbindlichen Hygienestandards. Halten Sie sich an Kollegen, die schon länger vor Ort sind, die können Ihnen geeignete Restaurants empfehlen.

Viele Inder sind Vegetarier. Hühnchen, Ziege und Fisch sind überall erhältlich, Rindfleisch nur in muslimischen Gegenden oder Stadtteilen. Schweinefleisch wird gemieden, weil die Tiere als unrein gelten.

Der Arbeitsmarkt

Ein Angestelltenverhältnis bei indischen Firmen ist meist unmöglich, wegen der geringen Löhne, und außerdem, weil Einheimische generell bevorzugt werden. Internationale Konzerne stellen ab und zu Ausländer im Management ein. Vor wenigen Jahren schien häufiger ein Abenteurer-Typ gesucht zu werden, als das heute der Fall ist. Schätzen Sie also Ihre Erfahrung mit Indien realistisch ein und Ihr Interesse, dazu zu lernen.

Die Spuren der Blumenkinder

Wer heute die Spuren der Hippies in Indien sucht, sucht natürlich in Goa. Was er dann findet, ist der Hippieflohmarkt von Anjuna Beach. Hippies sucht man da vergebens. Dafür gibt es Stand neben Stand Hippie-Accessoires für ein paar Rupien, bunte Saris oder Goa-Trance CDs. Man kann das auch in Deutschland kaufen und sich die lange Anfahrt sparen.

Am Strand von Goa

Foto: Am Strand von Goa, 2014. Die Kühe haben sich das Gebiet wieder erobert, die Raver sind verschwunden. Was ist aus den Blumenkindern geworden? Sie sind wieder nach Hause gekommen, und ganz wenige haben sich ins Hinterland verzogen. Mit den Techno-Parties wurde Goa in den 90ern zum zweiten mal berühmt. Auch die sind mittlerweile Geschichte. Heute hat Goa für Indien einen ähnlichen Ruf wie Ibiza.

Fazit

Indien ist noch etwas für Pioniere mit viel Anpassungsfähigkeit, Geduld und Toleranz. Die Konsolidierungsphase bringt mit sich, dass Unternehmen erfahrene Leute suchen statt Abenteurer, die Pionierzeit geht langsam zu Ende. Andererseits sind die Gehälter den höheren Anforderungen entsprechend gestiegen. Die Zeit in Indien kann Sie bereichern und Ihre Karriere befördern. Ob es sich auswirkt, liegt bei Ihnen und ist auch eine Frage guter Vor- und Nachbereitung der Auswanderung. Nach Indien gehen Deutsche für begrenzte Zeit im Rahmen einer Entsendung oder (selten) auf eigene Faust. Noch seltener lockt Indien Menschen, die auf einer spirituellen Suche sind. Der deutsche Michel wird sich in Indien jedoch nicht wohl fühlen.

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letzte Bearbeitung: Juli 2021

5 Kommentare

    • Was meinst du denn damit?
      Indien und „frei“? Aussenpolitisch? Oder meinst du das Leben dort? Die byzantinische Bürokratie, verschränkt mit der kolumbianischen Korruption? Die Hindunationalisten, die dir die Hütte anstecken, wenn du ihnen irgendwo Konkurrenz machst? Oder meinst du die Freiheit, mehrere Stunden des Tages damit zuzubringen, Alltagsgeschäfte zu erledigen, die in Deutschland keine 10 Minuten dauern würden?

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  1. Schmutziges Essen
    Indien war bisher eines der ganz wenigen Länder, wo ich keinerlei Magenprobleme hatte. Die Schärfe brennt den Magen scheinbar gesund. Und ich hab dort die ersten 2 Wochen fast ausschließlich mit an Ständen ernährt, die am Straßenrand standen.

    Toller Nebeneffekt: Man nimmt sehr schnell ab. Bei mir waren es 7 kg in 4 Wochen.

    Indien ist ein tolles Reiseland. Aber dort leben? Wohl höchstens als Aussteiger in Goa.

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    • Schmutziges Essen – wenn das nur alles wäre!
      Nach mehreren Reisen durch ganz Indien kann ich diese pauschale Verunglimpfung der indischen Küche nicht nachvollziehen. Klar, schließlich hatte ich nie Delhi-belly. Natürlich gibt es immer ganz Schlaue, die unbedingt bei 35 Grad Celsius den Salat mit Mayo essen müssen… Ansonsten soll ja Dreck gesund sein und die Widerstandskräfte stärken.

      Schwieriger in Indien scheint mir die Überbevölkerung, das unsägliche Verkehrschaos in den Städten sowie die absolut vernachlässigte, lebensgefährliche Verkehrs-Infrastruktur. Die gefühlt 10 mio. Inder, die ständig um einen herumzuwuseln scheinen, selbst in einsamen Gegenden wird man nie von dem Gefühl verlassen, daß die lookers-on, die untätigen Zuschauer im nächsten Moment auftauchen – man ist als Westler ja sofort identifizierbar und hat höchstem Neugier-Aufmerksamkeits-Faktor – und einfach stören.

      Nicht zu vergessen, fast jeder kann mindestens 3 Worte englisch, die er permanent anbringt. Beim 795. „What’s your name?“ in einer tour fällt es schwer die Contenance zu bewahren…

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