Vor der Krise war Island unser Geheimtipp zum Auswandern (die Nr. 3 weltweit). Was ist heute daraus geworden? Die vierthöchsten Lebenshaltungskosten der Welt, Mitte April noch Winter und die Zahl der Autos ist erstmals höher als die der Isländer. Arme Fischerinsel in den 80ern, Tigerstaat in den 90ern, Komapatient nach 2008, geht wieder auf eigenen Füßen. Was wohl die Elfen dazu sagen?
Steckbrief: Island in Zahlen
Daten | Kommentar |
---|---|
Amtssprache: Isländisch | — |
Hauptstadt: Reykjavík | 128.793 Einw. |
Fläche: 103.000 km² | entspricht der Größe von Kuba |
Einwohnerzahl: 361.000 | (2019) |
Bevölkerungsdichte: 4 Einw. pro km² | (Deutschland: 233/km²) |
BIP je Einwohner: 67.857 USD | nominal, #6 weltweit |
Human Development Index: 0,949 | #4 weltweit |
Deutsche im Land: 1388 | Eurostat 2020 |
Ausländeranteil: 11,4 % | UNO Angabe |
Island – Kurzüberblick
Island: Vulkane, weite Ebenen, Gletscher und heiße Quellen. Eine Insel im Atlantik, vom Golfstrom umspielt und vom Nordlicht erleuchtet. Island ist flächemmäßig so groß wie Kuba oder Südkorea. Knapp 335.000 Menschen leben auf der Insel. Rund die Hälfte davon in der Hauptstadt Reykjavik. Vor 10 Jahren lebte nur jeder dritte Isländer in der Hauptstadt. Man mag es beim Anblick der vielen einstöckigen Wohnhäuser kaum glauben, aber der Trend zum Wohnen in Städten (Urbanisierung) boomt auch in Island.
Was ist mit den Menschen? Alphabetisierung, die hohe Lebenserwartung und der soziale Zusammenhalt sind die höchsten der Welt. In Island gibt es 131 staatenlose Flüchtlinge; lediglich Australien kann mit einer so kleinen Zahl konkurrieren.
Wetter & Klima
Winterstürme sind häufig, im Landesinneren sind Sandstürme nicht selten. Schneefall ist auf der Insel nicht so häufig wie man vielleicht annimmt. Das Wetter: ganzjährig wechselhaft. Wenn einem Einwanderer das Wetter nicht passt, rät ihm der Isländer, er möge fünf Minuten warten.
Die Temperatur ist im Winter relativ mild und im Sommer für den hohen Norden erstaunlich warm. Die Temperaturen steigen über 20 °C. Auswandern nach Island heißt also nicht nur Eis und Schnee.
Die neue Island Saga
Womit könnte Island Auswanderer reizen? Geysire und Meeresrauschen reichen dazu nicht. Die Island Saga ist eine marktwirtschaftliche Heldenreise und sie geht so:
Island hat die skandinavische Variante sozialer Marktwirtschaft aufgegriffen: Freier Markt mit einem umfassenden Wohlfahrtssystem. Mit Ausnahme der Krise von 2008 hat Island ein hohes Wachstum, eine niedrige Arbeitslosigkeit und eine bemerkenswert gleichmäßige Einkommensverteilung erreicht.
Islands Wirtschaft hängt stark von der Fischereiindustrie ab, die 40% der Warenausfuhrerlöse ausmacht, mehr als 12% des BIP und 5% der Erwerbstätigen beschäftigt. Die wichtigsten Exporte neben Fisch sind Aluminium und Ferrosilicium. Ferrosilicium wird für die Herstellung von Stahl und Gusseisen benötigt, und für Silizium.
Phase 1: Die 1990er Jahre
In den 1990ern begann eine beispiellose Rundum-Reform. Island führte in seinen Boomjahren eine Flat Tax auf Einkommen ein; mittlerweile ist sie wieder abgeschafft.
Dramatische Veränderungen: 1990 war Island auf Platz 26 in der „Economic Freedom of the World“ Liste. 2007 rückte es auf Platz 9 vor. In 2015 liegt Island auf Platz 86! Staatliche Eingriffe, pah! Wenn man böse wäre, würde man sagen: Die machen wieder das, was sie vor 20 Jahren taten, alles Gute kommt nur vom Tourismus. Wie war das damals? In Island war alles staatlich reguliert: staatliche Reisebüros, Druckereien, Wolle- und Fischfutterfabriken. Dazu hohe Steuern und ein politisch gelenkter Finanzsektor.
Phase 2: Mit Vollgas in den Crash. Autsch! Aber immerhin: Island war Zweiter!
Nach der Privatisierung des Bankensektors in den frühen 2000er Jahren expandierten die inländischen Banken aggressiv auf ausländischen Märkten, und Konsumenten und Unternehmen verschuldeten sich in Fremdwährungen (man sprach von Krediten statt von Schulden, so klingt es freundlicher). 2008 wurde die Isländische Krone gegenüber anderen Währungen deutlich abgewertet.
Und plötzlich standen die Banken mit heruntergelassenen Hosen da. Man rechnete Soll und Haben nach und stellte fest, dass die Kredite (+ Anleihen + sonstige Kunststücke einer modernen Bank) mehr als das Zehnfache des BIP von Island betrugen. Das ist so, als ob ein Pokerspieler nicht nur blufft (das tut er immer), sondern auch von der schläfrigen Gräfin neben ihm ein paar Chips gesetzt hat. Plötzlich wacht Frau Gräfin auf und fragt, Was tun Sie da mit meinen Chips, junger Mann?
Die drei größten isländischen Banken kollabierten Ende 2008. Dann das Übliche: 10 Milliarden Dollar Darlehen vom IWF erbetteln, höflich das Diktat des IWF abnicken, wie der Schlamassel bereinigt wird. Die ausländischen Bankkunden ruhigstellen (darunter viele Kunden aus Deutschland). Den Rest will heute wahrscheinlich kaum jemand wissen. Genau so wie im Fall von Irland (Kapitel „Jüngere Geschichte“).
Vielleicht eines noch: Die isländische Regierung war so irre verzweifelt, dass sie erwog, sogar der EU und der Eurozone beizutreten. Dann ging es langsam finanziell aufwärts.
Phase 3: Island, das Stehaufmännchen am Krater des Vulkans
Die EU Sache wurde ausgesetzt, 2015 stimmten die Isländer gegen den Plan der Aufnahme in die EU, die Sache ist vom Tisch. Die makroökonomischen Indikatoren (das, was in die Ratings einfließt) und die Beschäftigungszahl haben sich auf das Vorkrisenniveau erholt.
Seit 2010 ist der Tourismus zum Hauptmotor des Wirtschaftswachstums geworden. 2016 kamen 4,5 mal so viele Touristen nach Island, wie es Isländer gibt. Geholfen hat Island also vor allem das beispiellose Wachstum des Tourismus – durchschnittlich über 20% jährlich. Und was half eigentlich dem Tourismus? Der Vulkanausbruch! Schon wieder die wilden nordischen Götter! Vulkan Eyjafjallajökull brach 2010 aus. Über den Ausbruch wurde überall in rauchigen Bildern und Schreckenstexten berichtet. Das war PR vom Allerfeinsten.
Seit der Krise hat sich die Wirtschaft weiter diversifiziert, vor allem in den Branchen Tourismus, Softwareproduktion und Biotechnologie. Riesige Geothermie- und Wasserkraftquellen haben erhebliche Auslandsinvestitionen in die Aluminiumbranche angezogen. Man könnte sagen, dass die alten Vulkangötter es gut mit den Bewohnern Islands meinen: Geothermie und Wasserkraft, das sind die Kräfte, die die Vorfahren als wilde Götter verehrten (oder als Riesen fürchteten). Im 21. Jahrhundert nennt man das: erneuerbare Energien und die scheinen schier unerschöpflich zu sein. High-Tech-Unternehmen investieren in Island. Dort können sie Rechenzentren mit kostengünstiger grüner Energie speisen. Tiefseekabel verbinden bereits Kanada, Großbritannien, Dänemark und Deutschland. Seit 2015 wird das Tiefseekabel für Hibernia Atlantic ausgebaut.
Island, die Insel der Elfen und Gnome
60 Prozent der Isländer sind überzeugt, dass es Elfen gibt. 30 Prozent halten ihre Existenz immerhin für möglich. Viel dazu beigetragen hat wohl Erla Stefánsdóttir (1935 – 2015), die bekannte „Elfenbeauftragte“ beim Bauamt in Reykjavík. Eigentlich war sie für alle Naturgeister zuständig. Zum Huldofólk (unsichtbares Volk) gehören außer Elfen auch Trolle und Gnome. Frau Stefánsdóttir hatte eine Islandkarte der verborgenen Welt erstellt, bei Bauprojekten wurde sie konsultiert.
Warum ist der Glaube an Naturgeister so populär? Ein „Elfenexperte“ glaubt, dass die isolierte Lage Islands der Grund dafür ist, dass der Mythos so lange überlebt hat. Nicht gerade originell, was alles aus der Insellage erklärt wird. Im Inselbericht über Malta habe ich über Insularität geschrieben.
Gibt es die Naturgeister wirklich? Diese Frage haben sich wohl Besucher und auch Isländer schon gestellt. Der eine sagt ja, der andere nein. Ich denke, das führt nur zu Streit. Völlig sinnlos und vergebens! Interessant ist doch nur, wie wir die Welt auf eine Weise beschreiben, die sowohl Computer und Solarstrom wie auch Elfen und feinstoffliche Lebensformen zulässt (die mit beidem kompatibel ist). Wenn das eine das andere nicht ausschließt: gibt es beides. Wo Wahrheit was anderes meint, bleibt sie eine Fiktion.
Staat und Bevölkerung
Island ist eine Republik. Der Struktur und den Gesetzen nach ist sie ähnlich aufgebaut wie viele andere Demokratien. Jedoch besitzt sie einige Eigenarten. Dies führt dazu, dass Isländer einige Privilegien haben wie kein anderes Volk auf der Welt. So ist etwa das Gesundheitssystem kostenlos. Dank der vorhandenen Erdwärme muss ein Bewohner der Insel auch keine Energiekosten bezahlen. Vergleichen Sie das einmal mit den explodierenden Heizkosten in Deutschland!
Auswandern nach Island bedeutet, sich auf geringe Nebenkosten einzustellen. Und Sie kommen in den Genuss eines intakten Gesundheitssystems. Das Landesinnere ist beinahe unbewohnt. In Deutschland drängen sich 260 Einwohner auf jedem Quadratkilometer.
Islands Arbeitsmarkt
In allen Branchen werden Fachkräfte gesucht. Das führte zu einer stetigen Arbeitsmigration. Etwa 9.000 Ausländer leben in Island. Davon sind etwa 400 Deutsche. Der Rest stammt zumeist aus anderen Ländern Europas, v.a. aus Polen und aus Dänemark. Das Thema „Auswandern Island“ ist daher auch dank der internationalen Bevölkerung kein Integrationsproblem.
Einreise-Bestimmungen
Nach Island einreisende Deutsche, Österreicher und Schweizer benötigen nur den Reisepass (Gültigkeit: mindestens 3 Monate nach Reiseende) oder Personalausweis.
Dank Personen-Freizügigkeit bekommen auswandernde Deutsche relativ leicht eine Arbeitsgenehmigung. Haben Sie diese, erhalten Sie eine Aufenthaltsgenehmigung. Diese muss in einem bestimmten Turnus, in der Regel alle zwei Jahre, verlängert werden.
Sprache in Island. Muss es Isländisch sein?
In Island wird auch Englisch, Dänisch oder vereinzelt Deutsch gesprochen. Englisch wird von den meisten beherrscht und wie Dänisch in der Schule unterrichtet. Wie es kommt, dass man in Island mit Deutsch verstanden wird? Vielleicht hat der Tourismus geholfen. 54.000 deutsche Urlaubsgäste im Jahr sollen es sein, was Deutschland zu einem der größten touristischen Kunden macht.
Während man als Tourist in Island auch mit Englisch sehr gut weiterkommt, ist es als Auswanderer ratsam, isländisch zu lernen. Diese Sprache ist nicht einfach zu sprechen und erfordert viel Übung. Auswandern nach Island sollte deshalb sehr gut vorbereitet sein.
Webtipps
- Die Wirtschaft in Island – ein Überblick für Auswanderer.
- Wenn der Sprung nach Norden zu weit ist: Auswandern nach Dänemark bietet interessante Alternativen.
- Ansonsten könnte auch Auswandern nach Finnland reizvoll sein.
- Länderinformationen des Auswärtigen Amtes zu Island
- Bei Fragen zur Arbeitsaufnahme in Island hilft die deutsche Auslandshandelskammer Island (AHK Island)
letzte Bearbeitung: November 2021
Island und die Finanzkrise
Keine Frage, Island ist ein tolles Land mit netten Menschen.
Allerdings hat sich die Situation durch die Finanzkrise doch drastisch verschärft. Derzeit ist das Auswandern nach Island wohl nicht zu empfehlen.
auf geringe nebenkosten
auf geringe nebenkosten einstellen? keine ahnung was bei manchen geringe nebenkosten sind aber in deutschland sind 7 euro für ein 0,4L bier zum beispiel nicht gering…
reykjavik war 2006 oder 2007 die 3. teuerste stadt der welt ( relativiert sich inzwischen wieder durch die wirtschaftskrise aber immernoch teuer genug )
zudem: bildungsniveau bescheiden?
naja bescheiden genug um eine spitzenstellung in den OECD-Staaten einzunehmen… wo bleibt da nur deutschland? *zurückblick*
mal erhlich: ich glaube dieser artikel bedarf einer generalüberholung.
Island ist unsere Nr. 3
Fabian, ohne diesen Bezug wird jede kritische Anmerkung zu Island leicht überbewertet.
Bierpreise im Lokal werden nicht in den Nebenkosten (beziehen sich auf Mietwohnungen) berücksichtigt. Sie werden normalerweise nicht einmal im Warenkorb der statistisch erfassten Lebenshaltungskosten erfasst.
Damit fehlt m.E. ein wichtiger Aspekt des Lebens (wie Gaststättenbesuch, Bierangebot & Preise, andere Genussmittel) Denn für viele gehören diese Dinge – und ihre Kosten – zur Lebensqualität dazu. Ist für uns etwas aufwändig, so einen Warenkorb für verschiedene Länder zu erstellen. Wenn du daran Interesse hast, melde dich bitte per mail (Impressum).
Reykjavik war 3.teuerste Stadt der Welt? Woher hast du das? Laut ECA Studie gehört die Stadt nicht zu den teuren: https://www.wohin-auswandern.de/teuerste-staedte-2007-eca-studie
Zum Bildungsniveau: die teils(!) sehr guten Ergebnisse wurden nicht bestritten, sondern in Relation zu den Aufwendungen gesetzt. „Island nimmt unter den OECD-Staaten eine Spitzenstellung in der Förderung der Bildung ein. … In der PISA-Studie nimmt Island mit Rang 27 von 57 im Jahr 2007 einen Mittelplatz ein.“ (Wikipedia)
Generalüberholung vorerst abgelehnt! 🙂
liebe Grüße,
Knut
weiterführende Links
Haben Sie für Island Linkempfehlungen zur Arbeitssuche? Vielen Dank! Natürlich wäre es auch schön, wenn ein Gast, der Island bereits kennt, seine Erfahrungen posten würde.
*such*
Hallo Michael, ich suche und wenn ich was finden, kommt es sofort hierher.